Moni, Altmärkische Höhe, Sachsen-Anhalt 06.02.2022 – 13:12
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Mit ihrer Entscheidung vom 2.2.2022 zur Versammlung im Losser Forst weist das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt (OVG LSA) die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Magdeburg (VG Magdeburg) vom 23.11.2021 zurück.
Nach dem das OVG LSA mit Beschluss vom 02.07.21 die Waldbesetzung unter den Schutz der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG gestellt hatte, erließ der Landkreis Stendal erneut Anordnungen in der Allgemeinverfügung vom 06.10.21.
Bei dem aktuellen Rechtsstreit geht es also um erneute Auflagen der Behörde gegenüber der Versammlung, nicht jedoch etwa um eine Räumung der „Besetzung“, die Tatsache, dass die Versammlung unter dem Schutzbereich der Versammlungsfreiheit nach Art. 8 GG
steht entfaltet eine Sperrwirkung gegenüber der Anwendung von allgemeinem Polizeirecht. (vgl. Beschluss v. 02.07.21 OVG LSA, Az. 2 M 78/21)
Zur Erinnerung: Der Beschluss des VG Magdeburg von November 2021 (Az.: 3 B 321/21 MD) stellte zahlreiche, offensichtlich rechtswidrige Auflagen des Landkreises Stendal in der Allgemeinverfügung vom 06.10.21 gegenüber der Versammlung fest und stellte die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs diesen Auflagen gegenüber wieder her. Der Landkreis hatte in mehreren Fällen das Gebot der Bestimmtheit verletzt und somit ein verfassungsrechtliches Gebot der Rechtsstaatlichkeit verletzt. Die Hälfte der Kosten des Verfahrens hatte der Landkreis zu tragen. Die pressemitteilungsgegenständliche
Beschwerde richtete sich gegen die ablehnenden Teile des VG-Beschlusses.
Emma G.*, Teilnehmerin des Protestcamps sowie Klägerin und Beschwerdeführerin der Streitgenossenschaft gegen die Allgemeinverfügung äußert sich dazu wie folgt:
„Ich bin enttäuscht und irritiert, denn mit der Begründung zu der unanfechtbaren Entscheidung vom 2.2.2022 zur Versammlung im Losser Forst setzt sich die 3. Kammer des OVG Sachsen-Anhalt dem Verdacht aus, tendenziös zu entscheiden.”
Die gerichtliche Prüfung fand erkennbar nicht ergebnisoffen statt, sondern verfolgte das schon feststehende Ziel, die Auflagen der Allgemeinverfügung zu rechtfertigen. Dazu unternahm das Gericht sogar eigenständig Erwägungen für den Landkreis Stendal, aber
keinerlei Prüfung von Gegenindizien, die für die Antragsteller*innen sprächen. Eine ausgewogene Abwägung sieht anders aus. Stattdessen verstießen die Richter*innen gegen ihre Amtsaufklärungspflicht und stützten ihre Begründung sogar auf offensichtliche und vorsätzliche Lügen, wie das den Behördenmitarbeiter*innen der Zutritt zum
Versammlungsgelände verwehrt worden sei. Das behauptet nicht mal der Landkreis selbst, wie kommt also das Gericht darauf? Waren die Richter*innen selbst vor Ort und hatten eine andere Wahrnehmung? Der Landkreis behauptete lediglich, es sei Zutritt zu einem einzigen Baumhaus verwehrt worden. Abgesehen davon, dass das nicht stimmt,
bestritten wurde und das auch Zeugen eidesstattlich versichern würden, reicht die Begutachtung eines einzelnen Baumhauses sowieso nicht aus, um die Standsicherheit der anderen Baumhäuser zu bejahen oder zu verneinen. Es hätten ohnehin also auch noch die anderen Baumhäuser vom Landkreis begutachtet werden müssen. Dies hat der Landkreis aber unterlassen und die dort befindlichen Personen auch nicht gefragt. Zudem
konnten die Mitarbeiter*innen gar nicht auf die Baumhäuser klettern, weil ihnen die persönliche Schutzausrüstung dazu fehlte und offensichtlich auch die Sachkenntnis. Die Ausrede des Landkreises war also nur vorgeschoben.
Die Versammlungsbehörde hatte zudem keine eigene Gefahrenprognose gemacht, sondern stattdessen den Teilnehmern Gefahrenerforschungsmaßnahmen auferlegt. Statt selbst die Standsicherheit der Baumhäuser zu beurteilen, hat das Ordnungsamt aufgegeben, dass die Teilnehmenden auf eigene Kosten begutachten lassen sollen, ob die Baumhäuser standsicher sind. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte, dass die Baumhäuser nicht standsicher sind, hat das OA mangels eigener Begutachtung nicht genannt, nur pauschale Unterstellungen, die vor allem von der fachlichen Unkennntnis des OA zeugen und sämtlich mittels Fachliteratur widerlegt wurden. Wie das OVG daher darauf kommt, es gäbe Tatsachen, die an der Standsicherheit zweifeln ließen, bleibt sein Geheimnis. Anders als der Landkreis und das VG erkennt das OVG aber, dass die angestellte Gefahrenprognose des Landkreises nicht ausreicht. Während das VG noch versucht,
diesen Mangel mit einer eigenen stümperhaften Gefahrenprognose zu beheben indem die Juristis des Verwaltungsgerichts so tun als wären sie Ingenieur*innen und sich bei diesem Versuch lediglich blamieren als etwas sachdienliches beizutragen, versucht das OVG die unterbliebene Begutachtung des Landkreises mit der Lüge zu rechtfertigen, die
Versammlungsteilnehmenden hätten dies aktiv verhindert. Das aktenkundige Angebot der Antragsteller an den Landkreis, einen gemeinsamen Besichtigungstermin vorzunehmen, watschelt das OVG mit der argumentfreien Unterstellung ab, die Antragstelleris hätten gar
keinen Zugriff auf ein Baumhaus der Versammlung. Wenn das so wäre, hätten Sie auch einfach die Antragsbefugnis der Antragssteller verneinen können und sich so Schreibarbeit ersparen können. Offensichtlich ein handwerklicher Fehler der beiden Richter und der Richterin des OVG. Wenn sich Richter zur Begründung ihrer Entscheidungen schon Lügen
bedienen müssen, muss entweder der politische Druck auf die Justiz groß sein oder die Richteris verfolgen ein Eigeninteresse.
Streitgegenstand der Beschwerde sind auch die sogenannten „Jugendschutzauflagen“, dazu ein weiterer Verfahrensbeteiligter der Beschwerdeführer*innen:
„Mit ihrer Entscheidung vom 2.2.2022 zur Versammlung im Losser Forst avanciert die 3. Kammer des OVG Sachsen-Anhalt zum Steigbügelhalter von Verfassungsfeind*innen und kapituliert vor dem Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt. Das OVG behauptet doch allen Ernstes, Eltern müssten für den Schutz linker Versammlungen gegen rechtsextreme Gewalt sorgen, weil dies der Polizei in Sachsen-Anhalt nicht zugemutet werden kann [!] Die Wahrnehmung ihrer gesetzlicher Aufgaben sei einer Behörde nicht zumutbar. […] Wie ist es zu verstehen, dass das OVG deshalb von den Versammlungsteilnehmenden verlangt,
eine Art Bürgerwehr (bzw. Elternwehr) zu bilden?“
Das OVG verkennt den Umfang der Kooperationspflicht der Versammlungsbehörde und der Pflicht der Versammlungsbehörde, versammlungsfreundlich zu handeln. Nicht die Teilnehmenden sind kooperationsunwillig, sondern die Versammlungsbehörde. Aus diesem Grund hat die Versammlungsbehörde bislang kein einziges Mal zu einem
Gesprächstermin geladen oder einen Besuch im Wald rechtzeitig vorher angekündigt – denn dann könnten ja kooperationsbereite Versammlungsteilnehmende erscheinen, was die Behörde offenbar verhindern will.
„Als dem Gericht und dem Amt namentlich bekannter Klägerin und Beschwerdeführerin – unter Eingehen bekannter persönlicher Risiken – hätte ich erwartet, in dieser Funktion als Kontaktperson gelten zu können. Einen Vororttermin mit dem Ordnungsamt hätte ich sicher möglich gemacht, wenn er mir den bekannt gemacht worden wäre.“
kommentiert Emma G.*
Stattdessen kommt die Behörde immer unangekündigt und überfallartig, sucht sich willkürlich irgendwelche Menschen als Gesprächspartner*innen und angebliche Versammlungsverantwortliche heraus und beraubt so kooperationsbereiten Versammlungsteilnehmenden der Möglichkeit, sich auf ein Gespräch vorzubereiten und sich eines Beistands zu bedienen, wozu die Versammlungsteilnehmenden gesetzlich
berechtigt sind. Das OVG verkennt, das es übliche Praxis ist, das zu
Kooperationsgesprächen geladen wird und diese nicht unangekündigt stattfinden. Das gebietet schon der Anstand.
Abschließend findet Emma G.* denkbar klare Worte für die aktuelle Situation:
„Gemeinsam mit anderen Protestierenden frage ich mich, ob sich die Richter*innen großem politischen Druck ausgesetzt sehen und womöglich nicht angemessen unabhängig bzw. befangen sind.“
Eine Verfassungsbeschwerde wird derzeit geprüft.
Kontakt: monibleibt [ät-zeichen] systemli [punkt-zeichen] org
*Name geändert